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01.12.2025 - Bürger als Geldgeber der Energiewende

In einem aktuellen Zeitungsartikel (siehe Rubrik "Presse") wird beschrieben, wie Stadtwerke in Deutschland sich zunehmend Geld bei Bürgerinnen und Bürgern leihen, um die Energiewende zu finanzieren. Kommunale Energieversorger müssen in den nächsten Jahren enorme Summen in Netze, Kraftwerke, Speicher und erneuerbare Energien investieren. Ein Beispiel sind die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm, die bis 2040 rund eine Milliarde Euro investieren wollen.


Weil viele Stadtwerke aber keine großen Finanzreserven haben und auch nicht so einfach an die internationalen Kapitalmärkte kommen, suchen sie andere Wege. Ein Weg: Sie bieten Bürgerbeteiligungen an. In Ulm wurden zum Beispiel drei Millionen Euro für eine große Photovoltaik-Freiflächenanlage direkt bei Bürgern eingesammelt. Wer mitmachen wollte, konnte zwischen 500 und 25.000 Euro als sogenanntes Nachrangdarlehen geben, für sieben Jahre Laufzeit und 3,75 Prozent Zinsen pro Jahr. Emittent war nicht das Stadtwerk selbst, sondern eine Tochtergesellschaft.


Nach außen wird das als gemeinsames Projekt für die Energiewende dargestellt: weniger maximale Rendite, mehr „gemeinsam Verantwortung übernehmen“. Verbraucherschützer sehen solche Modelle aber kritisch. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg warnt ausdrücklich vor den Risiken. Nachrangdarlehen heißen so, weil die Anleger im Insolvenzfall in der Reihenfolge der Gläubiger weit hinten stehen. Geht das Projekt oder die Gesellschaft pleite, kann das für Bürgerinnen und Bürger einen vollständigen Verlust ihres eingesetzten Geldes bedeuten. Aus Sicht der Verbraucherschützer sind solche Anlagen daher für den langfristigen Vermögensaufbau ungeeignet.

Verbände der Stadtwerke stellen das anders dar. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) betont, dass solche Beteiligungen für die Stadtwerke wichtig sind, um ihr Eigenkapital zu stärken und damit weitere Kredite für die Energiewende zu bekommen. Bürgerbeteiligungen werden oft als sehr sicher bezeichnet, Totalverluste seien bisher praktisch nicht vorgekommen. Gleichzeitig wird aber eingeräumt, dass es sich rechtlich um risikobehaftete Anlagen handelt.

Beliebt sind vor allem Anlageformen, die viele kleine Beträge bündeln, also eine Art „Schwarmfinanzierung“. Dazu gehören Nachrangdarlehen mit festem Zins, gewinnabhängige Darlehen und Genussrechte mit Gewinn- und Verlustbeteiligung. Ein wichtiger Punkt: Die Anleger bekommen bei diesen Modellen normalerweise keine Mitspracherechte im Unternehmen. Für die Stadtwerke hat das auch einen Marketingeffekt. Wer Geld gibt, fühlt sich dem Versorger und dem Projekt oft stärker verbunden, teils werden Kunden mit Vorzeichnungsrechten oder Bonuszinsen zusätzlich gelockt.


Was bedeutet das nun für Mechernich-Glehn und die beabsichtigten Windenergieprojekte in unserer Region?

Sollten Windparks hier vor Ort nach einem ähnlichen Muster finanziert werden, ist eines wichtig: Bürger müssen genau verstehen, was ihnen angeboten wird. Auf den ersten Blick klingt es attraktiv, sich an der Energiewende vor der Haustür zu beteiligen und dafür Zinsen zu bekommen. Im Hintergrund stehen aber zum Teil komplexe Finanzkonstruktionen und klare Risiken, bis hin zum möglichen Totalverlust. Dazu kommt, dass man als Anleger in der Regel kein Stimm- oder Kontrollrecht über das Projekt erhält, obwohl man mit seinem Geld mit im Boot sitzt.

Für Mechernich-Glehn heißt das: Wenn für geplante Windenergieprojekte eines Tages Bürgerbeteiligungen angeboten werden, sollte jede und jeder ganz genau hinschauen. Wer ist der Vertragspartner, das Stadtwerk selbst oder eine Projektgesellschaft? Handelt es sich um ein Nachrangdarlehen oder Genussrecht? Welche Laufzeit, welche Ausstiegsmöglichkeiten, welche Risikohinweise gibt es?

Es geht nicht nur um die Frage, ob Windkraftanlagen hier gebaut werden sollen, sondern auch darum, wer dafür finanziell einsteht und mit welchem Risiko. Eine sachliche, offene Information der Bürger über Technik, Standorte und eben auch über die Finanzierung ist deshalb für unsere Region mindestens genauso wichtig wie die eigentlichen Anlagen.

 
 
 

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